get shorties labor
 
Donnerstag, 24. Juni 2004

Jaguttäääh – Mein EM-Tagebuch


Tag 12 (Mittwoch, 23. Juni) „Liebes Tagebuch. Schnüff. Heute ist ein trauriger Tag. Alle meine Freunde vom Fernsehen gucken ganz bedröppelt in die Kameras, als ob ihnen in der großen Pause ein ganz doofer Blödmann klebrigen Zitronensaft in den Schulranzen geschüttet hätte. Und wenn sie nicht ganz, ganz starke Fernsehindianer wären, dann würden sie jetzt ganz bestimmt ganz doll weinen. Der Günni zum Beispiel sagt, er sei ganz arg enttäuscht, und man müsse „ganz deutlich sagen, dass uns einfach die Qualität fehlt“. Für den Becki war das, was er gesehen hat „nicht nur ein Schlag ins Kontor, sondern auch ein Schlag in die Magengrube“. Der Delli will das Ganze jetzt erstmal „aufarbeiten“ und der Waldi fragt den Gerri, ob es jetzt nicht „Konsequenzen“ geben müsse. Dann kommt noch der Rudi dazu und sagt, dass er das nun erstmal sacken lassen muss. Ich muss fast weinen, als ich das alles höre und würde meine Freunde vom Fernsehen deshalb am liebsten ganz doll drücken und trösten. Aber was ist denn nur passiert, dass alle so traurig sind?

Nun, etwas ganz Schlimmes ist passiert: Unsere Jungs haben das entscheidende Gruppenspiel gegen die Tschechen verloren und sind deshalb aus dem Turnier ausgeschieden. Obwohl alle daheim dachten, dass sie das Turnier gewinnen werden. Und noch viel schlimmer: Statt unseren Jungs sind jetzt diese dämlichen Käsköppe im Viertelfinale, weswegen wir von denen jetzt den selben üblen Spott um die Ohren geknallt bekommen, den sie noch vor zwei Jahren von uns zu hören bekamen, als sie die Qualifikation für die WM in Japan und Südkorea verpassten. Aber das Allerallerallerschlimmste ist, dass die Tschechen mit ihrer Ersatzmannschaft gegen uns gewonnen haben. Drei Angriffe, zwei Tore. Und unsere? 167 Angriffe, 98 glasklare Torchancen, ein Tor.

Wir haben also ganz viel leiden müssen heute! Zuerst hatten wir ja noch gedacht, dass wir gegen die Tschechen gewinnen, weil der Michi nach der schönen Vorlage vom Lahmi und vom Schweini nach 18 Minuten den Ball total klasse ins Tor schoss. Doch dann haute so ein tschechischer Ersatzspieler dem Olli einfach so einen Freistoß rein, und wir mussten wieder von vorne anfangen und weiter leiden. Dabei hätte doch nur ein Tor mehr als von den Tschechen gereicht. Aber unsere Jungs schossen immer am Tor vorbei oder gegen den Mann mit dem gelben Pulli im Tor von den Tschechen. Kein Schuss wollte reingehen, nicht der vom Kevi, nicht der vom Berndi, auch nicht der vom Didi und schon gar nicht der vom Toddi, vom Arnie, vom Poldi, vom Lahmi und vom Schweini. Und gleich gar nicht der vom Jerri, unserem Fiffi mit dem großen Gebiss und dem bösen Knurren, den der Rudi noch fünf Minuten lang aus seinem Käfig von der Leine auf den Platz gelassen hat – und zwar ganz ohne Maulkorb. Schön, dass es in Portugal noch keine Kampfhundeverordnung gibt!

Dabei standen unsere Jungs bei ihren Schüssen immer so dicht und immer so alleine vor dem tschechischen Tor, dass es fast schwieriger war, den Ball vorbeizuschießen als ins Tor. Das haben die Tschechen viel besser gemacht. Da hat ein Angriff gereicht in der zweiten Halbzeit: Der tschechische Stürmer war einfach zwischen dem Chrissie und den Jensi hindurch spaziert, hat den Olli angeschossen, den Ball dadurch wieder zurück bekommen und ihn dann ins Tor gemacht. So einfach geht das – wenn man Tscheche ist. Wenn man Deutscher ist, muss man arbeiten, muss man Wille haben, muss man mit der Brechstange hohe Flanken in den Strafraum schießen, muss man kämpfen, rackern, fighten. Bei uns ist Fußball nämlich überhaupt kein Spaß. Auch wenn ein Spieler mal „eine freiere Rolle“ bekommt, wie der Becki über den Jensi am Anfang gesagt hat.

Dabei waren wir alle noch so guter Dinge vor dem Spiel: Die Fans im „Brückenhaus“ zum Beispiel, mit ihren T-Shirts, wo „Canada“, „Jamaica“ und „Schland“ draufstand und die immerzu „Kevin, oh, oh, oh, oh, oh“ riefen und jubelten, weil der Schweini mal von Anfang spielen durfte: „Weltklasse! Mit dem Schweini klappt das ganz bestimmt“, hat der im „Jamaica“-T-Shirt fröhlich gesagt. Und noch viel mehr jubelten, als der Chrissie dem Schiri ein Bein stellte und der Schiri auf seinen Hintern flog. Und noch viel, viel mehr jubelten, als der Michi das Tor schoss und der kleine Poldi in der zweiten Halbzeit mitspielen durfte. Und ganz, ganz arg doll jubelten sie, als der Rudi den Jerri fünf Minuten vor Schluss eingewechselte: „Jawoll, jetzt fallen bestimmt die Netze, und gleich wechselt er noch Angela Merkel ein“, hat wieder der im „Jamaica“-T-Shirt gesagt.

Aber als der Schiri dann abpfiff und unsere Jungs tatsächlich 1:2 verloren hatten und ausgeschieden waren, da jubelte keiner mehr im „Brückenhaus“. Dann sagte plötzlich wieder der im „Jamaica-T-Shirt, das sei ja überhaupt kein Wunder, weil: „Uns fehlen halt die schwarzen Steppenläufer aus den Kolonien und ein richtiger Preisboxer wie der Rooney“ (von dem der Franzi übrigens sagt, dass der ihn an „den jungen Schappa-Pa-Paaaa“ erinnert). Und alle im „Brückenhaus“ waren plötzlich ganz arg traurig und bestellten sich erstmal eine Runde Schnaps und ganz viel Bier und ich war mal wieder der einzige, der hören wollte, wie traurig der Günni, der Becki, der Delli, der Waldi, der Gerri und der Rudi darüber sind, dass unsere Jungs jetzt bei den Großen aus Frankreich, Portugal, England, Holland, Schweden, Dänemark, Tschechien und Griechenland nicht mehr mitspielen dürfen. Schnüff. Ist das traurig!

Bis Morgänn, schnüff!!


 
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