get shorties labor
 

Dein Paradies


Lieber Gott oder wie auch immer Du Dich nennen magst,

ich weiß nicht ob Du oder jemand anderer die Verantwortung trägt, dass ich existiere. Falls es doch Du bist, möchte ich Dir hiermit folgendes mitteilen:

Hast Du Dir mal überlegt, welch grottenschlechter Witz es war mich mitten hinein zu werfen, in diese von Abstrusitäten und abstrakten Vorkommnissen geplagte Welt? Welchen Sinn hat das Ganze eigentlich? Ich sitze hier gelangweilt fest und muss bemerken, dass ich das alles nicht so recht kapiere. Um mich herum sind (ebenfalls von Langeweile geplagte) Menschen, die ich nicht verstehe und die mich nicht verstehen. Ich denke, dass alle um mich herum total verrückt sind und ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der wenigstens noch versucht hinter dem Ganzen einen Sinn zu sehen. Zum besseren Verständnis meiner Situation möchte ich Dir folgende kleine Begebenheit erzählen:

Auf Anraten meines Psychologen besuchte ich die „Selbsthilfegruppe für Selbsthilfe e.V.“. Schon als ich die Türe aufmachte und diese heilig anmutenden Hallen betrat, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Eine alte verbittert dreinblickende Empfangsdame stierte mich mutlos an und bellte mir ein „Kann ich Ihnen helfen?“ entgegen. ‚Lieber nicht‘, dachte ich bei mir, ;wer weiß was dabei rauskommt‘. Ich setzte mein strahlendstes „Ich-bin-der-nette-junge-Mann-von-nebenan-Lächeln“ auf und erklärte ihr, dass ich auf Grund diverser psychischen Ungereimtheiten gerne mit einem gewissen Dr. Siegfried Undroy sprechen möchte, bei dem ich in fünf Minuten einen Termin hätte. Die Lippen der alten Dame verbogen sich zu einem dümmlichen Grinsen, ihre unglaublich monströse Brust fing an zu beben und ihre faltigen Hände klopften in einem immer schneller werden Rhythmus auf ihre Schenkel, die hinter dem uralten Schreibtisch versteckt waren (was wahrscheinlich auch gut so war). Ihrem Maul entwich ein gar schrecklicher Laut, der langsam aber stetig in ein heulendes Stakkato überging. Nach unglaublichen langen 3 Minuten, während denen ich nur fasziniert dieses merkwürdige Schauspiel betrachten konnte, kam ich dahinter, dass es sich hierbei um ein Lachen handeln sollte. Abrupt wie es begonnen hatte hörte es auch wieder auf. Die gute Frau richtete sich zu ihrer vollen angsteinflößenden Größe auf, nahm mich an der Hand und führte mich durch eine Türe in einen Nebenraum. Dort befanden sich in asymetrisch angeordneter Weise drei weitere Türen. Frau Furchtbar ließ meine Hand los. „Gehen Sie durch die linke Tür und anschließend den Gang entlang bis zum Ende. Bleiben Sie immer in der Mitte des Ganges, berühren Sie nichts und sputen Sie sich!“. Diese Anweisungen kamen mir irgendwie bekannt vor, wahrscheinlich aus einem alten Film oder etwas ähnlichem. „Gehen Sie, junger Mann, gehen Sie schnell!“. Behende wie man es ihr nicht zugetraut hätte, drehte sie sich um und machte lautstark die schwere Türe hinter sich zu. Da stand ich nun. Ich spielte mit dem Gedanken ebenfalls umzudrehen und dieses Gebäude zu verlassen, war aber immer noch zu fasziniert und neugierig. Also ging ich langsam in Richtung der besagten Türe und drückte die kunstvoll geschmiedete Klinke nach unten. Ein langer hell erleuchteter Gang erschien vor mir. Alles war in einer schmutzig-pissgelben Farbe gehalten. Nur an den Wänden waren kleine braune Pfeile angebracht die den Gang entlang zeigten und mir wohl den Weg weisen sollten. Unterbrochen wurden die Pfeile von gelegentlichen Türen. Kein Bild an der Wand, keine Pflanze auf dem gelben Teppich. Nicht einmal Türschilder waren angebracht, wie man es von gewöhnlichen Gängen, in denen sich die Büros aneinanderreihen gewöhnt ist.

Vor einer der Türen blieb ich stehen und lauschte. Nichts, keinerlei Geräusche drangen daraus hervor. Spaßeshalber versuchte ich die Türe zu öffnen und war erstaunt als sie sich tatsächlich bewegte. In dem kleinen Zimmer, das ebenfalls in pissgelb gehalten war, stand nichts. Er war leer und meine Schritten hallten von den Wänden wider als ich eintrat. Als ich mitten im Raum stand und mich umdrehte sah ich das er doch nicht gänzlich leer war. An der Wand bei der Türe hing ein halbblinder Spiegel auf den irgendein Schwachsinniger mit roter Sprühfarbe das vollkommen sinnlose Wort „Hidelklatz“ gekritzelt hatte. Ich versuchte das Wort auseinanderzunehmen und die Buchstaben neu zu ordnen – aber es ergab wirklich kein Wort, welches man in der Deutschen Sprache benutzt. Das alles erschien mir echt extrem abgespaced. Ich fragte mich, wie um Himmels Willen man mir hier, in diesem abgedrehten Schuppen helfen konnte meine Unzulänglichkeiten im Umgang mit meinen Mitmenschen in den Griff zu bekommen. Aber meine Neugier auf das, was noch kommen sollte war unverändert stark.

Ich verließ den Raum mit dem Spiegel und trat wieder auf den langen Gang hinaus. Irgendetwas hatte sich verändert. Die Luft im Gang schien sehr dick und drückte mich wie ein unsichtbares Gewicht förmlich zu Boden. Mühsam ging ich weiter, immer weiter den Gang entlang. Bis ich tatsächlich vor der ominösen Türe des von mir gesuchten Doktors stand. Sie war breiter als die anderen und rechts daneben hing ein großes metallenes Schild.

DR. DR. SIEGFRIED UNDROY FACHARZT FÜR PSYCHIATRIE UND KINDERANÄSTHESIE UNIVERSITÄT HIDELKLATZ

Hidelklatz war also eine Ortschaft. Irgendwie hörte sich das für mich an wie ein kleines, verlassenes, gottverdammtes Transylvanisches Kuhdorf, tief verborgen unter den Schatten eines nuklear-verseuchten Gebirges. Vor meinem geistigen Auge sah ich merkwürdige bucklige Gestalten sabbernd und geifernd durch verworrene Bibliotheksgänge schlurfen und sich in einer fremden Sprache flüsternd unterhaltend.

Nach einem Moment des Zögerns, klopfte ich an diese Türe. Sofort hörte ich ein „Kommen Sie herein !“, und betrat den mit Abstand seltsamsten Ort, den ich je gesehen hatte. Die Wände und Decke waren tiefschwarz gestrichen. Durch unzählige kleine Löcher in der Decke waren, wie Sternbildern gleich, kleine aber hell strahlende Leuchten gesteckt. Sogar eine Abbildung des Mondes konnte ich in einer Ecke erkennen. Überall waren verschieden große Skulpturen aufgestellt, die miteinander kopulierten. Der Boden war übersät mit speckigen Flecken. In den sechs Ecken waren schwarze, verkohlte Pflanzen in überdimensionierten Kübeln aufgestellt. Rechts an der Wand befand sich über die ganze Länge hinweg ein chromfarbenes Regal mit nur einem einzigen Buch darauf. Dieses Buch wurde rechts und links mit kleinen Figuren gestützt, die mich an Long Dong Silver erinnerten. Steil ragten Ihre riesigen Schwänze in die Höhe. Daran befestigt waren mir unbekannte Flaggen, wahrscheinlich die Nationalflagge von Hidelklatz oder Absurdistan oder was auch immer. An der linken Wand auf dem Boden stand eine hölzerne Truhe mit einem schweren eisernen Schloss daran. Genau in der Mitte des Raumes thronte ein riesiger Ledersessel, in dem der kleine Mann, der darauf saß, fast unterging. Ganz in schwarz gehüllt mit einem langen Kapuzenumhang und nur mit einer roten schlecht gebundenen Scherpe verziert, saß er da und lächelte mich freundlich an. Seine Augen, die klar und deutlich unter der Kapuze hervorlugten, wirkten sehr unruhig und schienen in sich selbst zu rotieren.

„Guten Tag, mein Freund“, sagte er mit einer lieblichen Stimme zu mir, „ich habe Sie schon erwartet. Bitte treten Sie näher“. Ich latschte auf ihn zu. Mit einem hohen Sprung hüpfte er aus seinem Sessel und stand direkt vor mir. Oder sollte ich besser sagen unter mir? Er war wirklich ausgesprochen klein. Gerade mal bis zum Bauch ragte mir der Zwerg. Er reichte mir seine Hand, die ich nur widerwillig entgegennahm, und stellte sich vor: „Gestatten, mein Name ist Dr. Undroy“. „Sehr erfreut“, erwiderte ich. In diesem Augenblick, war ich mir sicher, dass ich beobachtet werde. Irgendwo in diesem verdammten Raum musste sich eine versteckte Kamera befinden. Mein ungläubiges, verwirrtes Gesicht starrte ihn an. „Kommen Sie, setzen Sie sich“, forderte er mich auf und deutete auf den Sessel. Beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, in diesem monströsen Teil Platz zu nehmen und ich glotzte ihn weiterhin einfach nur blöde an. „Sie sollten sich entspannen. Wie wäre es mit ein wenig Musik?“. Ohne meine Antwort abzuwarten bewegte er sich hüpfend und tänzelnd in Richtung der Truhe. Aus seinem Umhang holte er einen großen Schlüssel heraus und machte sich umständlich daran die Kiste zu öffnen. Er brachte ein uraltes Grammophon mit einem total verbogenem Trichter zum Vorschein und plazierte es direkt daneben. Halb in die Kiste hineinfallend, wühlte er weiter darin herum. Just als ich dachte, der alte Mann könnte jeden Augenblick zappelnden Fußes in der Kiste gefangen sein, schien er gefunden zu haben wonach er suchte und hüpfte zurück auf den verschmutzten Fußboden. Triumphierend hob er eine verstaubte Schallplatte vor sich. Sachte, fast liebevoll legte er den antiken Tonträger auf den Plattenteller. In den Augenwinkeln bemerkte ich eine Bewegung innerhalb der geheimnisvollen Kiste und drehte meinen Kopf. Was ich nun sah, war wirklich extrem seltsam, selbst für diese Geschichte. Ein Männlein, noch kleiner als der Herr Doktor selbst, kletterte hinaus und stellte sich grinsend neben den sogenannten Facharzt. Es war splitternackt, dennoch waren keinerlei, wie auch immer gearteten Geschlechtsmerkmale an ihm zu erkennen. „Darf ich ihnen meinen Gehilfen Quappolino vorstellen?“, richtete er seine Stimme an mich. Ich antwortete ihm: „Da sie es hiermit ja bereits getan haben, kann ich wohl nicht mehr nein sagen, obwohl mir die Bekanntschaft mit diesem merkwürdigen Geschöpf nicht unbedingt lieb ist.“ „Sie dürfen einen Menschen nicht nach seinem Äußeren beurteilen“, rügte er mich, weiterhin lächelnd. Er nannte diese monströse kleine Abart tatsächlich einen Menschen. Allmählich fand ich dieses ganze Szenario wirklich lustig. Aber es sollte noch viel viel besser kommen. Der kleine Dr. Undroy und sein noch kleinerer Gehilfe Quappolino schauten sich einen Moment lang an und machten sich dann daran das Grammophon mittels zwei kleinen Kurbeln in Bewegung zu bringen. Was aus dem großen Trichter kam, war eigentlich kaum als Musik zu bezeichnen. Es hörte sich eher an wie gutturale Laute, die von einem sterbenden Wesen ausgestoßen werden, das hektisch nach Luft ringt. Untermalt wurde das ganze von einem stampfenden Rhythmus, der von kleinen hellen Glöckchen begleitet wurde. Schneller und schneller wurden die Kurbeln von den beiden Freaks malträtiert. Am Höhepunkt der Drehorgie ließen beide, wie auf Kommando, los. Das antike Mono-Audio-Abspielgerät behielt seine Geschwindigkeit bei und spielte weiter diesen wirklich einzigartigen, schrecklichen Sound. Die beiden Subjekte stellten sich mit dem Rücken zueinander und formatierten sich zu einem Tanz, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Wie John Travolta in seinen besten Zeiten schwangen sie die Hüften. Sie warfen ihre Gliedmaßen und sich selbst durch die Luft, als ob sie den 1. Preis in einem Tanzwettbewerb für Aliens gewinnen wollten. Dies alles geschah in einer Synchronität, die man den beiden nicht zugetraut hätte. Ich musste lachen. Als dieser abstrakte Tanz zu einem Schauspiel wurde, in dem sogar sexuelle Handlungen vorkamen (Einzelheiten möchte ich hier lieber aussparen) und dann schließlich in einem furiosen Schlussakt endete, hörte auch die Musik auf zu spielen. Sie verbeugten sich in dramatischer Art und Weise vor mir. Da war es um mich geschehen. Brüllend vor Lachen fiel ich zu Boden. Ich hob mir den Bauch und hatte das Gefühl ich könnte nie wieder aufhören zu lachen. Ich weiß nicht, wie lange ich mich so auf dem Boden wälzte. Als ich mich wieder einigermaßen im Griff (und mir die Hose bepisst) hatte, erhob ich mich von dem verdreckten Boden und holte tief Luft. Die beiden Figuren standen vor mir und blickten mich böse an. „Sie scheinen kein Verständnis für Kunst zu haben!“, geifte mich das kleinere der beiden Männchen mit einem fast unverständlichen Akzent an. „Es tut mir leid, falls ich Ihre überaus gelungene künstlerische Darbietung nicht genügend zu schätzen weiß. Auf jeden Fall könnt Ihr beiden mich echt mal am Arsch lecken. Was ich heute gesehen habe, reicht mir erst einmal. Mit Ihrer gütigen Erlaubnis werde ich Sie jetzt verlassen, nach Hause gehen, mir eine frische Hose anziehen und mich betrinken.“ „Sie werden nirgendwo hin gehen, werter Herr! Sie werden sich jetzt schön brav in diesen Sessel setzen und uns von Ihren Problemen erzählen!“, meldete sich Dr. Undroy, unerwartet böse zu Wort. Ich fühlte mich ernsthaft bedroht. Nie im Leben würde ich mich in den gigantischen Sessel setzen. Ich hatte die Befürchtung, dass er mich verschlucken würde, bevor ich richtig saß. Und erst recht nicht wollte ich den beiden Mutanten von meinen Problemen erzählen. Ich ging auf sie zu, trat Dr. Undroy in den Unterleib und packte den anderen mit der linken Hand an der Gurgel. Noch bevor sich der liebe Herr Doktor erholt hatte, hatte ich seinen Kollegen bereits zurück in seine dunkle Kiste befördert. Ich ging schnell zurück und hob den immer noch am Boden liegenden Meister auf. Auch ihn steckte ich in die Truhe. Ich schloss den Deckel und wollte bereits abschließen, als ich es mir anders überlegte. Schnell griff ich nach dem Grammophon und warf es mit aller Wucht seinen Peinigern hinterher. Niemand sollte je wieder diese schreckliche Musik hören. Ich trat noch einmal genussvoll blind in die Truhe, haute den Deckel zu und schloss ab. Quiekende Geräusche drangen aus dem Inneren des Kastens. Ich gab ich der Truhe noch einen Tritt und das Quieken hörte auf. Ich lächelte. Ohne mich weiter in diesem seltsamen Raum mit seiner antimodernen Einrichtung umzusehen, ging ich schnell zur Türe. Sie ging nicht auf! Wutentbrannt versuchte ich es noch einmal, diesmal fester. Ohne Ergebnis. Die Türe blieb zu. Ich rannte zur Kiste zurück, gab ihr erneut einen heftigen Tritt und brüllte: „Wie macht man diese fucking Türe auf?“. Aus dem Kasten drang nur ein hämisches zweistimmiges Lachen. Einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich diese missgebildeten Kreaturen herausholen und mit physischer Gewalt dazu zwingen sollte die Pforte zu meiner Freiheit zu öffnen. Aber ich dachte mir, dass wenn ich beiden auch nur noch einmal anschauen würde unweigerlich kotzen müsste. Außerdem würde ich sie in meiner Wut sowieso nur totschlagen. Ich nahm diese riesige Kiste und warf sie mit der Kraft eines mutierten Hulk im hohen Bogen gegen die Wand mit dem Regal und schrie noch einmal: „Sag mir sofort wie man diese Türe öffnet!“. Höflich, wie ich nun mal bin, fügte ich noch ein lautes „Bitte“ dazu. Aber aus der Kiste war kein Ton zu hören. Just als ich noch einmal mit aller Gewalt gegen die Türe treten wollte entdeckte ich, dass eine dieser buchstützenden Long-Dong-Silver-Figuren vom Regal gefallen war. Mein Blick blieb unweigerlich an seinem mächtigen, vorbildlichen Riesengerät hängen. Ich bückte mich, nahm Long-Dong in die Hand und schaute ihn mir genauer an. Die Figur war liebevoll aus feinstem Holz geschnitzt. Auf seinem Prachtexemplar von Frauenbeglücker stand (zum Glück in Deutsch) folgender Satz geschrieben: „Benutze deinen Schwanz und du wirst frei sein“. Auf der riesigen Eichel befand sich ein kleiner Knopf. Nach kurzem Zögern drückte ich darauf und aus der Unterseite des Piephahns sprang ein kammartiges Gebilde. Ein Schlüssel! War das der Schlüssel für die Türe dieses Raumes? Hoffnung keimte in mir auf. Doch bevor ich mich an den Weg zur Türe machte, holte ich Long-Dongs Zwillingsbruder vom Regal und schaute auch ihn genauer an. Auch bei ihm waren Schriftzeichen in sein edles Teil graviert. Leider in gänzlich unverständlichen Hyroglyphen. Ich vermute, dies war die Amtssprache von Hidelklatz oder einer sonstigen verbotenen Sprache, die wohl nur von Freaks in elitären Geheimbünden gelesen werden konnte. Sonst war (außer dem besagten Riesenschwanz) nicht auffälliges an der Figur zu sehen. Ich nahm sie dennoch mit und ging zur Türe. Mit dem „Schlüssel machte ich mich daran die Türe zu öffnen. Es sah wahrscheinlich äußerst befremdlich aus als ich die Figur schwanzvoran in das Schlüsselloch steckte und ich musste laut lachen. Der Schlüssel passte! Ein leises „Klick“ war zu hören und - Wunder oh Wunder - die vermaledeite Türe ging auf. Gott sei Dank! Ich zog den Schlüssel ab, trat hinaus und spurtete den Gang entlang, der sich wiederum verändert hatte. Die Pfeile an der Wand zeigten nun in die entgegengesetzte Richtung, was ich zwar bemerkte und mir auch recht abstrus vorkam, mich aber nicht wirklich kümmerte. Ich hatte definitiv keine Böcke mir die Sache genauer anzuschauen. Für heute hatte ich absolut genug seltsame Dinge gesehen. Kurz bevor ich letzte Tür am Ende des Ganges erreichte, fiel mir rechts daneben ein Bild an der Wand auf, dass vorher noch nicht dort gehangen hatte. Oder hatte ich es einfach übersehen? Na ja, war ja auch egal. Ich wollte nur noch aus dem Irrenhaus hier heraus. Als ich mich der Türe näherte, bemerkte ich, dass sie überhaupt keine Klinke hatte an der man sie öffnen könnte. Ich drückte dagegen aber es tat sich, mal wieder, nichts. Was war das hier eigentlich für ein Gebäude? Ich kam hierher mit der Absicht, mich von meinem krankhaften Verhalten meine Mitmenschen zu beleidigen zu kurieren, und dann komme ich mitten hinein in einen Strudel voll Absurditäten gegen den mein Wahnsinn sich wie ein Kindermärchen ausnimmt! Ich stand also vor der verschlossenen Türe. Der Trick mit dem Dildo-Schlüssel funktionierte hier nicht, da kein Schloss oder ähnliches zu finden war. Was tun? Während ich in meinem Groll vor mich hin sinnierte, wanderte mein Blick auf das Bild Das fein gezeichnete Bild zeigte ein Gemälde einer alten fetten Frau, zumindest einen Teil davon. Das Gesicht erinnerte mich stark an die alte Fettel, die mich im Empfangsraum so hysterisch ausgelacht hatte. Aber von der Hüfte aus abwärts war eigentlich nichts menschliches mehr an dieser Frau zu sehen. Schuppenartige, von eitrigen Pusteln übersäte Beine verunzierten den sowieso nicht gerade schönen Anblick dieser Frau. An Ihrem Kopf befanden sich statt Augen zwei Löcher, die durch die Wand hinter dem Bild zu gehen schienen. In der linken Hand hob das Wesen einen Dreizack, an dem am oberen Ende ein Wimpel befestigt war. Auf diesem Wimpel stand in zwei Sprachen: „Der Wächter besitzt zwei blinde Augen“. Was war das denn nun wieder für ein verkackter Spruch? Einem Instinkt folgend nahm ich die beiden, mir inzwischen lieb gewonnenen, Figuren aus meinen Hosentaschen. Mit roher Gewalt stieß ich die langen, dicken Dinger in die Augenhöhlen des Monsters. Die Türe öffnete sich indem sie nach oben in der Decke verschwand. Ein markerschüttender, knochenzerbrechender Schrei drang aus dem Empfangszimmer von Frau Furchtbar und ihrem penetranten Lachen. Ehrlich gesagt hatte ich Angst, durch die Öffnung zu gehen. Ich hatte echt Schiss und wollte eigentlich gar nicht wissen, was wohl als nächstes kommt. Aber die Angst für immer in diesen Räumen gefangen zu sein überwog und ich betrat, ganz vorsichtig, das Vorzimmer, indem die alte fette Sau wieder hinter ihrem Schreibtisch saß. Oder sollte ich besser sagen auf dem Schreibtisch lag? Ihr massiger Oberkörper lag auf der Tischfläche. Der monströse Kopf lag auf Ihren Armen und sie schien sich nicht zu bewegen. Ich griff mir einem Regenschirm, der in einem Ständer in der Ecke steckte und piekste sie damit in die Wange. Mühsam gaffte sie mich an und was ich nun sah gab mir den Rest. Wo vorher ihre kleinen Äuglein steckten waren nunmehr nur noch zwei Löcher aus denen Blut zu fließen schien. Dick, rot und schmierig lief das Blut aus Ihrem Kopf. Sie begann zu summen und ich vermeinte die Melodie von 'Oh Happy Day‘ zu vernehmen. Sie erhob sich, ging um den schweren Schreibtisch herum und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Das war’s dann! Ich stieß ihr den Regenschirm mitten hinein in ihren weit aufgerissenen Mund aus dem immer noch ein fröhlicher Singsang vermischt mit Blut herauskam. Ich prügelte sie förmlich zu Boden, hieb immer wieder auf sie ein. Und die Alte Kuh hörte einfach nicht auf zu summen. Ich zog den Regenschirm aus ihrem Schlund und verpasste ihr damit solange Hiebe, bis sie tatsächlich aufhörte, die inzwischen mehr gurgelnden als summenden Laute auszustoßen. Da lag sie nun, mitten in ihrem schönen, geschmackvoll eingerichteten Empfangsraum und blutete bewegungslos vor sich hin. Ein letztes mal erhob ich den Regenschirm und steckte ihn ihr mitten in ihren fetten Bauch. Der Griff ragte steil in die Höhe und ich überlegte mir kurz, wie es wohl aussehen würde, wenn man jetzt noch die Nationalflagge von Hidelklatz am obersten Ende daran befestigen würde. Die Erstbesteigung des Mount Everest! Ich verwarf diesen attraktiven Gedanken jedoch sofort wieder und riss stattdessen die Ausgangstüre auf, rannte auf die Straße und atmete erst einmal tief durch. Nach der stickigen verseuchten Luft in dem Irrenhaus hinter mir, kam mir die smoggeschwängerte und feuchte Luft der Großstadt wie reiner duftender Sauerstoff vor. Ich ging die Straße hinunter und direkt in die nächste Kneipe, die ich fand. Dort betrank ich mich bis zur Besinnungslosigkeit und wachte am nächsten Morgen in einem Straßengraben in der Nähe meiner Wohnung wieder auf.

So lieber Gott, nachdem ich Dir diese äußerst merkwürdige Story erzählt habe, kannst Du mir nun verraten, welchen Sinn das alles gibt? Ich glaube Du bist ein Voyeur, der gerne Spielchen mit anderen (mit uns) spielt und sich an all den Verrücktheiten in der von ihm erschaffenen Welt labt. Der sich ergötzt an den Schicksalen der winzigen Ameisen, die man Menschen nennt und der sich mit sadistischem Vergnügen auf an neue, perverse Aufgaben macht um seine Spielzeuge zu geißeln. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es irgendwelche total verrückte und kaputte Menschen gibt, die diese Erde als „Das Paradies“ bezeichnen. Es ist wohl ein Paradies. Aber nicht für uns sondern nur für Dich. Tut mir leid, Mann – aber damit kann ich nichts anfangen! In diesem Sinne, angenehmes Spielen noch.

Servus,

Giacomo Balkoni

© 2002


 
  
 
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