get shorties labor
 

Dieter Baumann läuft auch ALLEIN


Es ist viel zu heiß. Tom hat sich Lederhandschuhe angezogen, anders ist es nicht zu bewerkstelligen, dass er den glühendheißen PKW-Lenker in die Hände nimmt. Wir sind spät dran. Wir sitzen in einer mobilen Mikrowelle und sind mehr als gar. Die Stimmung im Auto ist gereizt. Auf dem Rücksitz liegt unsere neue Kollektion an T-Shirts, die wir auf der Demo gegen die "Agenda 2010" verscherbeln wollen. Da wir nicht rechtzeitig losgefahren sind, stecken wir nun im Berliner Feierabendverkehr fest. Dass es immer noch so viele gibt, die arbeiten ... ein Wunder. Wir kommen nur mühsam vorwärts. Vor ein paar Minuten hat uns ein Kleinlaster geschnitten und uns kochte das Adrenalin hoch. Man sollte schweres Gefährt nicht in die Hände von aggressiven Irren geben. Der fährt wie ein Terrorist. Und wir sind nicht das einzige Opfer. Dieses Arschloch stresst die ganze Stadtautobahn. Brüllendes Gehupe ist die Folge. Die meisten Fahrer werden daran erinnert, dass sie von Natur aus für Revierkämpfe mit aggressiven Anlagen ausgestattet wurden. Der Chef als Alphamännchen ist schon Stress genug, da braucht es keinen, der die Fahrt ins traute Heim als Überlebenskampf begreift. Ihr Ärger wird noch dadurch gesteigert, dass der wildgewordene Kleinlaster in großen fetten Lettern Werbung macht: "Ich schaff euch alle. EGO-Müller - Ich-AG!" provoziert zusätzlich. "Wer versteht, warum manche Marken besonders erfolgreich sind, versteht auch, warum manche Menschen mehr Erfolg haben als andere.", denke ich amüsiert. Ich bin überzeugt, unsere T-Shirts werden ein Hit. Arbeitsamtlogo und darunter der Claim: "Freeloser - die neue Art der sozialen Kompetenz!"


 
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Vergessene Dinge aus den unbeschwerten Zeiten des Konsums


Mit diesen Texten will ich an Dinge erinnern, um die sich damals, in den unbe-schwerten Zeiten des Konsums, Legenden gesponnen haben. Dinge, die das Leben und die Kommunikation noch vor ein paar Jahren sehr beeinflusst ha-ben und heute beinahe schon wie vergessen sind.

Die Zahnpastatube

Vor noch nicht einmal 20 Jahren zerbrach, laut der Legende/Gerücht, beina-he jede zweite Beziehung an einem Ding, das heute zumindest in Europa, beinahe ausgestorben ist. Dieses Ding wurde oft zum entscheidenden corpus delicti eines Ehestreits. Statistisch gesehen waren es vor allem die Männer und deren Intoleranz gegenüber der Partnerin, wenn es um den richtigen Gebrauch dieses Gegenstands ging. Genau feststellen, ob nun eine Beziehung funktioniert oder nicht, kann man bekanntlich oft erst, wenn man dann in einer kleinen gemeinsamen Wohnung zusammenlebt. Ein wichtiger Ort hier, neben dem Schlafzimmer und der Kü-che – wehe sie kocht nicht so gut wie Mutter – ist das Bad. Eigentlich ist die Badhygiene die Sache der Frau und oft genug muss sie über die Urinspritzer auf der Klobrille, die Bartstoppeln im Waschbacken und die Bremsstreifen in der Toilette hinwegsehen und das damals genauso wie heute.
Damals gab es aber noch die Zahnpastatuben aus weichem Blech zum Zu-sammenrollen. Warum die Evolution es verhinderte, dass Frauen für ein geometrisches, von hinten nach vorne Zusammenrollen nach dem Gebrauch dieser Tuben zu blöd sind, wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Noch schlimmer als das versäumte Zusammenrollen nach der Benutzung der Zahnpasta, war, wenn beim ersten Benutzen irgendwo mutwillig in der Mitte der Tube gedrückt wurde. So entstanden unreparierbare Dellen. Ausbeulen ließ sich das ganze nicht mehr. Der Nachfolger musste dann, an dieser Engstelle, die im hinteren Teil der Tube befindliche Zahncreme durchdrücken. Es blieben Reste und der Traum von einer sauber geleerten und aufgerollten Tube war dahin. Männer brachte so etwas zur Raserei. Mochte die Frau fremdgehen, schlecht kochen, oder sich beim Sex dumm anstellen, alles war irgendwie ertragbar, aber die immer wieder zerdellte Zahnpastatube war zu vergleichen mit einem Kratzer im Lack des Wagens, nachdem man ihr davon abgeraten hatte rückwärts einzuparken und sie es dennoch tat. Vielleicht war es gerade diese Verwandtschaft aus Blech – die den Männern das Herz brach. Nachdem jedoch Mitte der 8oer Jahre bekannt wurde, dass die Deutschen langsam aussterben und die Scheidungsrate drastisch gestiegen sei, reagier-ten Wirtschafts- und Familienminister in einer einzigartigen Zusammenarbeit und entwickelten die sich selbst wieder aufblasbare weiche Plastikzahnpasta-tube.
Leider konnte auch diese so folgenschwere politische Entscheidung nicht mehr maßgeblich dem massiven Trennungsgeschehen der deutschen Bezie-hungen Einhalt gebieten.
Inzwischen wurde das aus Amerika importierte Wort „trend“ auf die linguisti-sche Namensverwandtschaft mit dem deutschen Wort „Trennung“ unter-sucht. Bisher leider ohne irgendwelche Ergebnisse, aber weiterhin liegen Tren-nungen im „trend“. Ja, damals war nunmal alles leichter und erklärbarer. Gedenken wir in einer Schweigesekunde der aufrollbaren weichblechenen Zahnpastatube nach. Und allen, die diese nicht mehr kennenlernen durften, sei gesagt, dass man die Plastiktuben auf den Kopf bzw. Deckel stellen muss, und wenn sie auch das nicht hinbekommt, dann sollte man doch mal ernsthaft über diese Bezie-hung nachdenken.

Nachtrag: Dass dies vor allem ein weibliches Problem für eine partnerschaftliche Bezie-hung darstellte sieht man vor allem daran, dass es zum Beispiel Rasierschaum immer noch in solchen Blechtuben gibt. Um zu vermeiden, dass die Frau sich dann doch mal eventuell zwecks Beinrasur mit seinem Schaum einschmieren will, hat die freundliche Pflegeprodukteindustrie zusammen mit Familien- und Wirtschaftsministerium jedoch einen speziellen Rasierschaum zum Aufsprayen nur für Frauenbeine entwickelt – tja, und da sage einer mal, die Emanzipation hätte niemals stattgefunden.


 
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